
Die Anhänger Jesu sind in Jerusalem versammelt, "als sich der Pfingsttag erfüllte" (Apg 2,1). Mit diesen feierlichen Worten beginnt die biblische Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte. Der Verfasser des Buches will zeigen, dass die gesamte Geschichte vom Geist Gottes gelenkt ist und dass sich in ihr die biblischen Verheißungen erfüllen.
Das wunderbare Pfingstgeschehen, mit dem in den Köpfen bis heute dramatische Bilder von Sturm und Feuer verbunden sind, wird in der Apostelgeschichte eindrucksvoll, doch seltsam unbestimmt erzählt. Je genauer man den Text liest, desto weniger lässt sich der Hergang des Pfingstereignisses festmachen. Vielmehr sollen beim Lesen Assoziationen hervorgerufen werden, die die vielfältigen Dimensionen des Geistes Gottes erahnen lassen:
"Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen" (Apg 2,1). Das griechische Wort für Geist ist Pneuma, es kann auch Wind heißen: Wie der Wind sich nicht festhalten lässt, so hat auch der Geist etwas Unfassbares. Kein Mensch kann über ihn verfügen.
Der Geist Gottes steht für die Weite der Welt
"Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer… " (Apg 2,3). Feuer ist ein Zeichen für die Gegenwart Gottes, denn es erinnert an die Feuersäule auf Wüstenwanderung des Volkes Israel. Aber hinter den Worten "Zungen wie von Feuer" verbirgt sich auch ein Wortspiel: Zunge, im Griechischen Glossa, kann auch Redegabe oder Sprache bedeuten. In fremden, vom Geist gewirkten Sprachen beginnen die Anhänger Jesu zu reden. Die anwesende Menge von Juden aus aller Welt hört und versteht die Jüngern in ihrer Muttersprache. So steht der Geist Gottes steht für die Weite der Welt. Es klingt die universale Dimension an, auf die die Apostelgeschichte mit ihrer Mission "bis ans Ende der Welt" zielt.
Dabei sind die Jünger Jesu doch alle Galiläer, also einfache Männer aus der Provinz. Der Geist aber verleiht ihnen die Fähigkeit, mutig und ohne Angst aufzutreten. Jesus selbst hatte ihnen verheißen, dass sie sich, auch wenn sie vor die Gerichte der Welt geschleppt werden, keine Sorgen machen bräuchten, was sie reden dann sollten.
Wovon aber reden die Jünger? Es scheint, als wären sie in Ekstase geraten und in lallendes Zungenreden ausgebrochen - ein damals verbreitetes Phänomen. Doch man hört Lobpreisungen auf "Gottes große Taten". Es ist der Geist, der sie zur Sprache drängt, zur Verkündigung, zum Zeugnis und zum Lob. Und es beginnt sich die alte Erwartung zu erfüllen, von der im Buch Joel zu lesen ist: Es werden einmal Alt und Jung zu geisterfüllten Prophetinnen und Propheten werden (Joel 3,1).
Der Geist Gottes ist im gesamten Buch der Apostelgeschichte das Leitmotiv: Geführt vom Geist Gottes breitet sich das Evangelium in der Welt aus. Durch den Geist, der am Anfang auf Jerusalem kam, hält Gott seine Kirche auf dem rechten Weg, schickt Verkündiger in ferne Länder, führt Menschen zusammen, beruft Gemeindeleiter und erinnert sie an ihre Verantwortung.